Wie hätte eine ordentliche Anti-Söder-Wahlkampagne im Kern aussehen können und müssen?

(sel) am 20.04.2021. Die Frage ist ja – glücklicherweise – seit heute erst einmal und für wohl einige bundespolitische Jahre reine Theorie und vom Tisch, und die Bayern haben sie sich ja offenbar bis heute nicht wirklich gestellt. Aber wie hätte man eine „Stoppt Söder“-Kampagne denn nun führen müssen, etwa anstelle der Grünen? 

Ich sehe kaum - ja evtl. mögliche - Parallelen etwa zur polithistorischen Schlacht um die Kandidatur von Franz Josef Strauß, obwohl es ja auch eine massive und wirkmächtige „Stoppt Strauß“-Kampagne gab. Damals ging es um wirklich öffentlich wahrgenommene politische Themen, den Streit um Inhalte, und nicht nur um zwei Lager innerhalb der CDU/CSU. Außerdem um deutschlandweit damals wichtige rechte oder linke Lager innerhalb der potentiellen Wählerschaft zur Bundestagswahl 1980. Und um Bayern und den Norden und Westen der Bundesrepublik natürlich.

Bei der Söder-Frage geht und ginge es meiner Auffassung nach im Kern gar nicht um Politik, nicht um ein Nord-Süd-Schema, nicht um den Streit für oder gegen Themen oder um irgendwie geartete politische Richtungen. Die Zeiten haben sich bezüglich dessen sowieso geändert, und innerhalb solcher Fragen ist ein Politiker wie Söder zu anpassungsfähig, um ihn wirksam angreifen zu können. Er hat viele Themen, und er gibt gern den Populisten, um möglichst viele Wähler zufriedenzustellen.

Der Populist Söder ist aber auch nicht Kern des Problems. Es ginge meiner professionellen Meinung nach überhaupt nicht darum, eine „Stoppt Söder“-Kampagne zu einer Kampagne gegen bösen Populismus aufzublasen. Söder ist kein Trump und auch kein Bolsonaro, zumindest nicht im Kern seiner Persönlichkeit und seinem Verhältnis zur Macht.

Söder ist Söder. Um den Mann und die Art seiner politischen Wirkmächtigkeit zu verstehen und einschätzen zu können, lohnt es sich, die letzten Jahrzehnte der Berichterstattung über die Person selbst und Einschätzungen sowie Rezeptionen sorgfältig zu lesen und zu analysieren. Es gibt dann doch recht viele, teils länger zurückliegende Erkenntnisse zur Person und zur Persönlichkeitsstruktur, sowie auch ganz kühl wissenschaftlich überlegt: neue, allein auf solchen Einschätzungen und Informationen ließe sich eine Kampagne aufbauen. Es ist alles da, man muss nur lesen und rezipieren können. Und die Kampagne wäre damit, ganz linear und simpel: die Person und Persönlichkeit, den Charakter Söders anzugreifen – was in Deutschland bei Wahlkämpfen ja eigentlich nicht üblich ist, eher in den USA.

„Stoppt Söder“, mit dem inhaltlichen Fokus wie oben skizziert, wäre alles andere als eine faire Kampagne geworden. Aber Fairness, eine schöne, aber sehr unscharfe ethische Kategorie, würde hier wohl sowieso nicht helfen – weil sich in einer politischen Auseinandersetzung sofort die so genannte Charakterfrage stellt. Charakterliche Abwertung, die Person, und nicht ihre Themen angreifen, gilt in politischen Auseinandersetzungen - vollkommen zu Recht - als unfair. Aber der Charakter gehört nun einmal zur Person auch eines Politikers. Und für einen unfairen Charakter – etwa in der Politik - sind weder Moral noch Fairness oder ethische Fragen der Auseinandersetzung eine Kategorie – was Söder übrigens selbst mal über sich und andere sagte.

Gut, dass Söder zurückgezogen hat. Es wäre ein schlimmer Sommer mit vielen hässlichen Auseinandersetzungen geworden, und möglicherweise von vielen Seiten aus der fast aufklärerisch daherkommenden Kampagnen-Kardinalfrage: Wie „gut“ muss ein Bundeskanzler sein, wieviel so genannte persönliche Integrität und Moral verlangen die Leute von ihrem Spitzenpersonal. Muss ein Bundeskanzler ein guter Typ sein? Das Private ist eben doch politisch.

Söder-Biograf Roman Deininger zu Söder in der Süddeutschen Zeitung am 11.04.2021

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