Veganismus als breite Kampagne in Deutschland: seit 2010 ein Erfolgsmodell
(sel) am 06.11.2019. Vegan essen – und vegan leben - wird immer beliebter, mit steilen Zuwachszahlen und überwiegend sehr positiver Öffentlichkeit vor allem in den Großstadtmilieus. Längst sind nicht nur Medien, Prominente und sonstige Multiplikatoren auf den Zug aufgesprungen, sondern auch die Lebensmittelindustrie und der Einzelhandel: die Vegan-Regale und –Theken werden immer umfangreicher, die Nahrungshersteller überbieten sich mit immer mehr Produkten vom Vegan-Burger bis hin zum veganen Wein.
An dieser Stelle soll aber nicht der Veganismus an sich in seiner Vielfalt besprochen werden, sondern auf seinen durchschlagenden Erfolg als Kampagne der Vielen (gegründet von Wenigen) in Deutschland verwiesen werden. Veganismus ist hierzulande (im Gegensatz zum klassischen Vegetarismus) noch gar nicht so lange populär. Vor ein paar Jahren noch hätte man Schwierigkeiten gehabt, jemanden auf der Straße zur Definition von vegan zu befragen. In Teilen hat sich der Veganismus hierzulande nicht von selbst durchgesetzt, sondern seine Entwicklung hin zu einer Bewegung wurde durch gezielte Initiative und Kampagnen beeinflusst. Da gibt es etwa die erst 2010 gegründete Vegane Gesellschaft Deutschland e. V., gegründet u. a. von Vegetariern und Tierschützern, die von Anfang an das Thema unter dem Gesichtspunkt von gutem Kampaigning betrachteten. Zum Netzwerk gehörte dann schnell zum Beispiel auch die FAZ-Journalistin Christina Hucklenbroich, die als eine der Ersten für ein großes deutsches Medium über Veganismus und die neue Vereinigung zur Durchsetzung veganer Ziele berichtete. Heute ist das Thema aus der Öffentlichkeit und aus breiten gesellschaftlichen Kreisen schon lange nicht mehr wegzudenken. Etwa junge Leute, auch sehr prominente, interessieren sich umfassend für vegane Ernährung und es gibt naturgemäß starke inhaltliche Überschneidungen mit den populären neuen Umwelt- und Klimaschutzbewegungen wie Fridays for Future, XR und anderen modernen i. w. S. „grünen“ Initiativen.
An diesem Beispiel des Erfolges der von Anfang an langfristig angelegten veganen Kampagne kann man zum einen lernen, wie schnell eine Bewegung auch über gezieltes Kampaigning groß werden kann, wenn ihre Ziele als glaubwürdig und überwiegend sympathisch erkannt werden, auch wenn nicht alle Mitglieder der Gesellschaft sie teilen (etwa: nicht tierproduktlos essen). Zum anderen ist zu beobachten, wieviel Trittbrettfahrer so eine nachhaltige Bewegung hervorbringt, die die Wirkung dann noch mehr verstärken: im Fall des Veganismus die Medien (es gibt mittlerweile jede Menge Zeitschriften und TV-Inhalte wie Kochshows zum Thema), die oben bereits erwähnte Wirtschaft sowie auch die Politik. Die Grünen etwa, eher klassisches Vegetarier-Milieu, sind spät drauf gekommen. Sie fühlen sich als Partei mittlerweile aber auch für die Ziele der Veganerbewegung verantwortlich.
WC-Spruch im Hamburger Gängeviertel 2019 (c) Bild: Sebastian Lehmann